Seit 1997 leitet der Enkel des Gründers die Geschicke des weltweit tätigen Unternehmens als CEO; sein Cousin Paolo Zegna ist der Präsident der Gruppe, die auch 110 Jahre nach ihrer Gründung noch ganz in Familienhand ist. «Erfolgreiche Familienunternehmen zeichnen sich durch eine langfristige Denkweise aus: Egal, ob sie ganz klein und regional oder ganz gross und weltweit tätig sind. Familienunternehmen denken immer auch an die nächste Generation», sagt er angesprochen auf die Dinge, die Familienunternehmen ausmachen. «Es sind ethische Werte, wie der Respekt voreinander und vor der Natur, die Vorbildfunktion von Familie und Unternehmensleitung und natürlich der Grundsatz, dass die Regeln in der Unternehmung für alle gelten; vor allem auch für die Familie.»

Etwas, was ich jedem jungen Menschen empfehlen kann. Rausgehen, andere Länder, Kulturen und Branchen kennenlernen
Ermenegildo Zegna

«Gildo», wie er sich selber nennt, ging schon als Siebzehnjähriger ins Ausland. In Grossbritannien und den USA besuchte er Schulen und Universitäten, in Berlin lernte er das Detailhandelsgeschäft von der Pike auf, bei Hugo Boss die Markenführung, in Frankreich die Fertigung auf Kundenmass und in Amerika die Massenproduktion. «Ich habe es auf die harte Art gelernt», sagt er trocken dazu. «Etwas, was ich jedem jungen Menschen empfehlen kann. Rausgehen, andere Länder, Kulturen und Branchen kennenlernen.»

«Der Geist ist wichtiger als der Körper»

Noch heute ist Gildo Zegna viel unterwegs. Ein Drittel des Jahres ist er auf Reisen, die restliche Zeit in Mailand und Lugano. Die vielen Reisen forderten schon vom jungen Gildo ihren Preis. «Ich hätte gern mehr Sport getrieben», sagt er rückblickend. «Wettkampfgeist ist wichtig.» Seit ein paar Jahren fährt er mit ein paar Gleichgesinnten Masters-Skirennen für Master Ski Racing Engadin; geleitet von World Master Champion Nando Mazzoleni. «Frühmorgens sind wir auf Furtschellas immer die ersten. Wir trainieren Slalom und Riesenslalom. Das Training beginnt um acht.»
Im Schnee ist Gildo Zegna in seinem Element. «Ich fuhr Ski, bevor ich laufen konnte». Neben den schnellen Alpindisziplinen macht er viel Langlauf. Auch ausgedehnte Spaziergänge gehören zu seinen Tagen im Engadin. Oft ist er dabei allein unterwegs. «In der Stille der Wälder schöpfe ich Kraft und neue Ideen. Und hier finde ich meine Ruhe. Der Geist ist wichtiger als der Körper.»

Immer mehr trifft man Gildo Zegna auch im Sommer im Engadin an. «Dann ist es besonders ruhig hier», sagt er und gerät geradezu ins Schwärmen. «Es ist ein einzigartiger Ort – ein Tal, zu dem so viel Sorge getragen wird. Kein Platz der Welt ist so malerisch wie das Engadin.» Noch sei er viel zu wenig hier, aber er würde hier gern einmal seinen Ruhestand verbringen.
Vorderhand ist von Ruhestand aber noch nichts zu spüren: In dem langen Gespräch mit dem Skiservice Magazin spürt man förmlich, mit welcher Energie Gildo Zegna bei der Sache ist. Ideen zu neuen Produkten oder für ganze Linien kommen nicht selten von ihm persönlich. So zum Beispiel auch für die «Techmerino» Linie. Sie nahm ihren Ursprung im kühlen und oft feuchten Klima von Nordkalifornien.

«Diese Pullover kratzten fürchterlich»

«Als ich meinen Sohn in Kalifornien besuchte, fielen mir die vielen Leute auf, die im Wollpullover Rad fuhren. Ich wurde neugierig und tat es ihnen gleich», erinnert er sich. «Bald habe ich zwei Dinge festgestellt: Im Wollpulli lässt sich tatsächlich sehr gut Rad fahren, aber diese Dinger kratzten fürchterlich.» Seine Neugier war geweckt.
Zuhause in Italien liess er Prototypen aus viel feinerem Material herstellen und testete sie persönlich. Nach und nach entstand eine ganze Reihe von Teilen für verschiedene Nutzungssituationen. «Ich trug sie am Tag, schlief mit ihnen nachts bei offenem Fenster und reiste mit ihnen um die ganze Welt.» Die Idee überzeugte ihn immer mehr. Weil bei Zegna aber für alle die gleichen Regeln gelten, musste er zuerst noch eine ganze Reihe von Mitarbeitenden überzeugen. «Techmerino hatte im Unternehmen keinen leichten Stand – aber ich bin froh, dass ich meine Leute überzeugen konnte. Wer es kauft, wird wiederkommen.»

«Wolle passt perfekt zum Lebensstil von heute»

Wolle ist seit Generationen eines der wichtigsten Ausgangsmaterialien für die Stoffe und Kleidungsstücke von Zegna. «Sie ist ein wunderbares, natürliches Material. Sie ist dehnbar nach allen Seiten, sie riecht nicht und wenn man sie richtig pflegt, wird sie mit jedem Waschgang etwas feiner. Sie passt perfekt zum Lebensstil von heute.»
Zur Lebenseinstellung von heute gehört für Gildo Zegna auch die Rücksicht auf die Umwelt. Seit Jahrzehnten betreiben er und seine Familie Projekte für Biodiversität und stärken die Nachhaltigkeit ihrer Unternehmung – weltweit. «Es nützt uns nichts, wenn wir in Europa gute Initiativen starten, die auf anderen Kontinenten niemand versteht. Unsere Herausforderung ist es, die Gedanken der Nachhaltigkeit so zu formulieren, dass die ganze Welt sie akzeptieren kann, versteht und unterstützt.»

Ermenegildo Zegna

1910 eröffnete Ermenegildo Zegna die Wollweberei «Lanificio Zegna» im Städtchen Trivero im Piemont. Heute gehören 6500 Mitarbeitende zum Unternehmen. Es ist noch immer in Familienbesitz.