Nicht selten entstehen neue Lösungen erst in der Fabrik – beim Verkleben oder Zusammennähen der Einzelteile. Dann ist von allen Seiten ein Höchstmass an Flexibilität gefragt
Marc Haensli

Wenn die Produktion beginnt, ist der 43-Jährige am liebsten direkt in der Fabrik. So kann er sofort eingreifen, falls etwas in der Serie nicht so gelingt, wie es im Entwurf und bei der Musterproduktion vorgesehen war.  «Nicht selten entstehen neue Lösungen erst in der Fabrik – beim Verkleben oder Zusammennähen der Einzelteile. Dann ist von allen Seiten ein Höchstmass an Flexibilität gefragt.»

Anders als andere Hersteller lässt Haensli seine Kollektionen nicht in China, sondern fast ausschliesslich in Portugal fertigen. «Wir kennen unseren Lieferanten und viele seiner Mitarbeitenden seit Jahren. Zusammen werden wir von Kollektion zu Kollektion besser und finden Lösungen für praktisch jedes Problem.»
Das Resultat überzeugt: Der einstige Geheimtipp hat sich in den vergangenen elf Jahren eine stetig wachsende Fangemeinde aufgebaut und konnte sein Händlernetz in der Schweiz und dem Ausland laufend erweitern. Ein grosses Unternehmen ist Capranea aber noch lange nicht. «Davon sind wir glücklicherweise noch weit entfernt», schmunzelt Haensli.

Wer bei Capranea arbeiten will, muss vielseitig sein
Marc Haensli

Zwar hat jeder sein Fachgebiet, aber wir sind alle Generalisten – und jeder packt mit an, wenn es etwas zu tun gibt.» Den Glamour der internationalen Modebranche sucht man in den Büros von Capranea denn auch vergebens; Funktionalität geht hier vor Prestige. Ein Lichtblick sind die Wände, an denen riesige Fotos von Bündner Berggipfeln prangen.

Aufgewachsen in Klosters arbeitete Marc Haensli in der Sport- und Modebranche und als Sponsoringverantwortlicher einer national tätigen Bank. Vor elf Jahren gründete er Capranea. Heute lebt er mit seiner Frau, die ebenfalls im Unternehmen arbeitet, und seinen beiden Kindern in der Zentralschweiz. «Aber meine Heimat ist Graubünden», sagt er unmissverständlich. «Wenn ich mal wieder aus den Augen verloren habe, worum es im Leben wirklich geht, nehme ich mir zwei Tage in Graubünden. Hier kann ich tief durchatmen und Bäume umarmen. Die Berge erden mich und geben mir Orientierung. Graubünden bedeutet mir enorm viel.»

Kaum eine andere Branche steht so für rasanten Wandel wie die Textilindustrie. Mittendrin steht Marc Haensli für Kontinuität. Die Kollektionen von Capranea bauen aufeinander auf. Statt Jahr für Jahr alle Farben und Designs über Bord zu werfen, entwickelt sich Capranea schrittweise. Die Kunden freut’s schon wieder: So lassen sich Teile aus mehreren Jahren immer gut kombinieren.

«Capranea hat seit Jahren einen unverwechselbaren Stil, der sich bewusst von der Masse absetzt», beschreibt Marc Haensli seine Designphilosophie. «Unsere Kunden schätzen das Plus in Materialien, Verarbeitung und Funktionalität. Sie haben ihren eigenen Stil und suchen nicht den Mainstream.» Die DNA von Capranea stammt aus dem Skisport; das garantiert höchste Funktionalität und Tragekomfort – egal, ob man nun in den Bergen oder in der Stadt unterwegs ist. «Capranea ist wie der Bündner Steinbock: Er trotzt jedem Wetter, er ist eigenwillig, und er begeistert die Menschen, die sich mit ihm auseinandersetzen.»

Den Bündner spürt man immer wieder, wenn man mit Haensli spricht. Immer wieder nimmt er Bezug auf die Berge und seinen Heimatkanton. Was aber tut er, wenn er in Graubünden seinen perfekten Tag verbringt? «Ich mag den Schneesturm lieber als den blauen Himmel. Mein perfekter Tag ist ganz früh oder ganz spät im Winter – und es schneit ohne Ende. Ich fahre Tiefschnee, spaziere durch den Wald oder schaufle Schnee vor dem Haus», sinniert er. «Immer wenn ich innehalte, ist sie da: Diese absolute Stille, die es nur bei ganz dickem Schneefall gibt. Ich höre nur meinen Atem, meinen Herzschlag und das Schmelzen der Schneeflocken auf der Kragenspitze meiner Jacke.»